Seite wählen

Bildung beginnt vor der Geburt.

Präpartale und frühkindliche Einflüsse auf die biologischen Vorbedingungen für Bildung und Möglichkeiten zur Intervention

(Beitrag zu einer Publikation des Kompetenzteams „Zukunft er Bildung -Bildung der Zukunft“ des Frankfurter Zukunftsrates)

Ludwig Spätling, Direktor der Frauenklinik am Klinikum Fulda a.D., Vorstand der Deutschen Familienstiftung, Gallasiniring 8, 36043 Fulda

Zusammenfassung

Bildungsinterventionen und Gehirnentwicklung

Bildung bedarf biologischer Voraussetzungen in Form eines Zentralnervensystems (ZNS) mit dem Gehirn als Informationsspeicher und -verarbeiter sowie den Nerven als Informationsvermittlern. Die Entwicklung und Qualifizierung des ZNS ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, die schon im Mutterleib einen Einfluss ausüben. Stress während der Schwangerschaft kann sich in jedweder Form über epigenetische Mechanismen auf die Ausreifung des ZNS und somit das spätere Leben des Kindes negativ auswirken. Schon von Geburt an sind altersentsprechende physische und soziale/emotionale Reize für eine adäquate Entwicklung des ZNS notwendig, dessen Entwicklungsmaximum im dritten Lebensjahr liegt. Wenn diese Reize fehlen, entwickelt sich ein Netzwerk ohne Kompetenz. Die frühesten Lehrer der Kinder, die Eltern, sollen deshalb einen adäquaten Umgang mit ihren Kindern lernen. Voraussetzung dafür ist eine gute Partnerschaft. Beides zu vermitteln, gelingt in einer „Geburts- und Familienvorbereitung“, sowie in „spielpädagogischer Begleitung“ durch darin angeleitete Eltern und auch Tagesmütter. So wird nicht nur die biologische Voraussetzung für Bildung optimiert, sondern auch Chancengleichheit und Integration erleichtert, mit weitreichenden positiven Effekten für das gesellschaftliche Zusammenleben. Die dargestellten Maßnahmen können dazu beitragen, das Vertrauen der Menschen in sich selbst und andere zu stärken und ihnen so die Angst vor Zukunft zu nehmen. So können die Menschen die Zukunft gestalten und nicht die Zukunft die Menschen.

1 Einleitung

Die aktuellen politischen Ereignisse zeigen eine Auflösung der logischen Abfolge von Erkennen/Verstehen und Handeln, was zur Desorientierung der Menschen führt und ihre Anfälligkeit für populistisch einfache Lösungen fördert. Wesentlichen Anteil an dieser Problematik haben demokratische Entscheidungen, die von einem Bevölkerungsteil angestoßen werden, der nicht die Fähigkeit hat, komplexe Zusammenhänge nachzuvollziehen. Diese Zeiten der Verunsicherung sollten dazu genutzt werden, Defizite in der Gesellschaft zu erkennen und zu beheben. Sollen auf Dauer Wohlstand und Frieden gesichert werden, muss jetzt offensiv alles getan werden, die Fähigkeit aller Bürger zu erhöhen, komplexe Zusammenhänge nachvollziehen und angemessen darauf reagieren zu können. Wenn im gesellschaftlichen Diskurs von Investitionen in die Bildung gesprochen wird, bezieht sich dieser meist nur auf das vorhandene System von Schule und Hochschule. Nicht berücksichtigt werden die frühe nachgeburtliche Zeit und die Zeit der Schwangerschaft, in der die biologische Basis für eine bessere Bildung gelegt wird.

2 Ziel und Zweck von Bildung

Unter Bildung soll hier das reflektierte Verhältnis zu sich, zu anderen und zur Welt verstanden werden. Bildung beschreibt aber auch den Entwicklungsprozess des Menschen, in dessen Verlauf er seine lebenspraktischen, kulturellen, persönlichen und sozialen Kompetenzen erwirbt und erweitert.

Der im Folgenden dargestellte Bildungsbegriff geht davon aus, dass einerseits Bildung quasi permanent stattfindet, dass andererseits das Erreichen gewisser Basisziele für das Individuum selbst und sein Zusammenleben mit anderen unabdingbar ist.

Eine Basisbildung soll das Individuum befähigen, zufrieden und gesund in Gemeinschaft zu leben. Dazu sind Wissen und Fähigkeiten notwendig, die es in der jeweiligen Gesellschaft zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung sowie zu einem partnerschaftlichen Zusammenleben in der Gemeinschaft befähigen. Bildung soll das Individuum außerdem in die Lage versetzen, die Gesellschaft in ihrer ganzen Komplexität zu verstehen und an ihrer politischen Organisation als mündiger Staatsbürger teilzuhaben.

 3 Vorbereitung von Gehirn und Nervensystem

Der vorliegende Beitrag beleuchtet die frühe Phase des Menschwerdens und sieht Bildung nicht nur unter dem Aspekt, welche Fähigkeiten und welches Wissen notwendig sind und wie diese vermittelt werden, sondern auch wie sie gespeichert und miteinander verbunden werden sollen. Denn Lehrer können in Schule, Hochschule und Beruf sich noch so anstrengen, ihren Schülern Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln – wenn diese nicht adäquat behalten und verarbeitet werden können, sind alle Bemühungen vergebens.

Es ist noch nicht allgemein bekannt, dass der Einfluss auf die Qualität der Entwicklung des Nervensystems – insbesondere des Gehirns – weit vor der Geburt beginnt und in der frühesten Kindheit ein Maximum hat. Diese Erkenntnis ist besonders wichtig für diejenigen, die für die Vermittlung von Wissen verantwortlich sind, da sie die Resultate ihrer Bemühungen optimieren kann. In Abbildung 1 werden die zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Entwicklung des Gehirns und möglichen Interventionen dargestellt.

3.1 Intrauterine Phase

Unter „Fetaler Programmierung“ versteht man, dass metabolische und psychische Störungen bei der Mutter zu Fehlprogrammierungen beim Feten führen können und somit später bei den Kindern Adipositas, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs, aber auch mentale Erkrankungen auslösen können (Plagemann, 2005). In der Embryo- und Fetogenese kommt es zu einer rasanten Gewichts- und Volumenzunahme des Gehirns. Zwei Drittel des gesamten Energiebedarfs werden zu dessen Aufbau und Funktion benötigt. Im Unterschied zu dieser frühen Phase wendet der Erwachsene für sein Gehirn „nur“ ein Fünftel der Gesamtenergie auf (Kolb und Gibb, 2011; Tau und Peterson, 2010). Nicht nur Umweltgifte können über die Mutter einen negativen Einfluss auf die mentale und psychomotorische Entwicklung des Kindes haben (Lovasi et al., 2011), sondern auch psychische Belastungen (Ängste, Depressionen, Gewalt), denen die Mutter ausgesetzt ist. Die Bildung und Ausreifung des Gehirns ist während seiner höchsten Entwicklungsdynamik in den Monaten der Schwangerschaft und den ersten Jahren am störanfälligsten (Tau und Peterson, 2010).

Stress, wozu auch jede Art von Gewalt zu zählen ist, führt zur Ausschüttung von Cortisol. Bei Stress der Mutter wird Cortisol über die Plazenta zum Kind übertragen und beeinflusst über den Glukokortikoid-Rezeptor des Feten (Hompes et al., 2013, Jensen Pena et al., 2012) die Entwicklung des Nervensystems negativ. Diese Veränderungen sind noch bei Jugendlichen nachweisbar (Radtke et al., 2011; Provencal und Binder, 2015) und werden für eine lebenslange Stressverwundbarkeit verantwortlich gemacht (Szyf, 2013). Erleiden Frauen in ihrer Partnerschaft Gewalt, so führt das zu einem vermehrten Abschalten des Glukokortikoid-Rezeptors bei Kindern. Diese pränatale Prägung äußert sich im späteren Leben der Kindern in psychosozialen Dysfunktionen (Radtke et al., 2011). Werdende Mütter, die Stress ausgesetzt sind, erleiden häufiger Frühgeburten (Vidal et al., 2014) und bekommen kleinere Kinder (Mulligan et al., 2012).

Zusätzlich werden bei diesen Kindern verminderte kognitive Leistungen, Verhaltensauffälligkeiten und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitatsstörungen (ADHS) beobachtet. Je früher dieser Stress auf die werdenden Mütter wirkt, desto ausgeprägter sind die Störungen (van den Bergh et al., 2005) Diesen Beobachtungen liegen epigenetische Mechanismen zugrunde. Diese bewirken, dass bestimmte Genabschnitte an- oder abgeschaltet werden, wobei die Gensequenz selbst nicht verändert wird. Die Epigenetik ist ein Mechanismus für die Anpassungsfähigkeit des Lebewesens an eine sich ändernde Umgebung. Das Erkennen dieser nicht nur positiven Effekte zeigt eine große Verantwortung der Gesellschaft für ihre zukünftige Entwicklung (Stähler und Kübler, 2017).

3.2 Geburt bis Schuleintritt

Über die Geburt hinaus wird in den ersten drei Lebensjahren das Gehirn ausdifferenziert. Die Leitgeschwindigkeit der Neuronen nimmt um ein Vielfaches zu und mit drei Jahren haben Kinder doppelt so viele die Neuronen verbindende Synapsen wie Erwachsene. Werden in der Zeit der Ausdifferenzierung der Synapsen diese nicht genutzt, so werden sie eliminiert und es entsteht ein Netzwerk ohne Kompetenz. Die Leistungsfähigkeit des Gehirns hängt vom Umfang und der Art der Informationen, die das Gehirn aufnimmt, sowie von der Weise der Verarbeitung derselben ab (Tau und Peterson, 2010).

Dieses System funktioniert somit nur dann optimal, wenn es gefordert wird. Geschieht das nicht, verkümmert es. Dieses Fordern geschieht durch die altersentsprechende Zurverfügungstellung von sachlichen und emotionalen Informationen. Überfordern, wozu auch eine zu intensive Fokussierung auf das Kind gehört, erzeugt wiederum Stress und ist deshalb kontraproduktiv.

 Die Entwicklung des Gehirns ist bis zum Schuleintritt sehr dynamisch. So können massive Stresssituationen wie frühkindlicher Missbrauch und Gewalterfahrung gesundheitliche Störungen wie Depressionen, Alkoholabusus, Verhaltensstörungen und Suizidversuche nach sich ziehen (Fergusson et al., 1996, 2008). Auch morphologisch werden diese Erfahrungen in der Veränderung der Hirnstruktur sichtbar (McCrory et al., 2010).

In einer emotional unsicheren Umgebung haben kleine Kinder selbst Stress: Ihre Nebennieren schütten Cortisol aus, was ihre frühkindliche Hirnentwicklung negativ beeinflusst. Die emotionale Steuerung und Gedächtnisleistung sind verringert (Radtke et al., 2011; Szyf, 2013). In einer sicheren Umgebung sind Kinder gut gebunden. Der Einfluss solch vertrauensvoller Bindung an Bezugspersonen ist eindrucksvoll in der „Bucharest Interventions Study“ im Vergleich mit Heimkindern gezeigt worden. Kinder, die keine solche Bindung aufbauen konnten, haben einen signifikant schlechteren Intelligenzquotienten (Fox et al., 2011).

Wächst das Kind in einer Familie auf, hat auch der sozioökonomische Status der Familie einen erheblichen Einfluss auf die Hirnstruktur und kognitiven Fähigkeiten in der Kindheit (Noble et al., 2015). Unterschiedliche Studien zeigen, dass auch sehr frühe und extensive Krippenbetreuung eine erhebliche Stresssituation der Kinder bedeuten kann, wie ihr erhöhter Cortisolspiegel zeigt, was bis ins jugendliche Alter nachweisbar ist (Belsky et al., 2007; Ahnert et al., 2004).

Nicht nur schwere Traumata führen zu Veränderungen des kindlichen Gehirns, sondern auch leichtere Traumata, wie permanente Missachtung und verbale Gewalt, haben bereits eine negative Wirkung auf Speicherung und Verarbeitung von Wissen und Erfahrungen.

 4 Zu lösende Probleme

Die im Folgenden angesprochenen Probleme belasten die Eltern erheblich und stören damit das Umfeld, in dem sich das Kind entwickelt. So haben sie einen deutlichen Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Kinder.

4.1.1 partnerschaftliche Disharmonie/ Trennung

Die Scheidungsrate von Eltern ist heute sehr hoch. Die Trennungsraten nicht verheirateter Paare werden statistisch nicht erfasst, sie addieren sich aber noch hinzu. Der chronische Streit, der Trennungen vorhergeht, verursacht ein Sich-verschließen des Kindes und beeinträchtigt die Aufnahme von Informationen aus seiner Umwelt. Chronischer Stress verschlechtert außerdem die Gedächtnisleistung. Während und nach der Trennung sind oft nicht nur die Eltern psychisch erheblich alteriert, sondern auch die Langzeitfolgen für ihre Kinder können erheblich sein (Franz, 2004; Hansagi et al., 2000).

Die Kauai- Studie, eine Langzeitstudie, zeigt, dass längere Abwesenheit der ersten Bezugsperson im 1. Lebensjahr, chronische familiäre Disharmonie, Abwesenheit des Vaters, Arbeitslosigkeit der Eltern, Scheidung resp. Trennung der Eltern negative Einflüsse auf die Kinder in Form von Lern- und Verhaltensstörungen, psychischen Auffälligkeiten sowie Straffälligkeit haben (Werner et al., 1992).

Frühe Trennung der Kinder von ihren vertrauten Betreuenden, Missbrauch, Vernachlässigung und soziale Entbehrungen führen zu langanhaltenden neurokognitiven und Verhaltensdefiziten (Carpenter und Stacks, 2009). Angststörungen, Aufmerksamkeits- und Persönlichkeitsstörungen (Prasad et al., 2005) sowie Störungen der Bindungsfähigkeit werden beschrieben (Kim und Cicchetti, 2004). All das behindert auch das Lernen.

4.1.2 Gewalt, Extremismus

Gewalt in jeglicher Form hat sowohl pränatal als auch in der Kindheit einen negativen Einfluss auf die Hirnentwicklung (Mansell et al., 2016; Radtke et al., 2011; Carpenter und Stacks, 2009). Zudem werden Kinder mit Gewalterfahrungen später oft selbst gewalttätig (Cierpka, 2012). Gewalt stört die Bindung der Kinder, die eine Voraussetzung für effektives Lernen ist. Denn die mit fehlendem Vertrauen einhergehende Angst verhindert auch die Neugier und damit die Kreativität der Kinder. Auch in diesem Zusammenhang ist die oben zitierte „Bucharest intervention study“ zu erwähnen. Schlecht gebundene Kinder wiesen in dieser Studie einen erheblich verringerten IQ auf (Fox et al., 2011). Dass eine schlechte Bindung in der frühen Kindheit politischen Extremismus befördern könnte, wird wiederholt diskutiert (Kailitz, 2004).

4.1.3 Sozioökonomie

Aus der Erkenntnis, dass der sozioökonomische Status der Familie einen erheblichen Einfluss auf Hirnstruktur und kognitive Fähigkeiten in der Kindheit hat (Noble et al., 2015), muss besondere staatliche Fürsorge resultieren. Die hohe Trennungsrate der Eltern verschärft die sozioökonomische Problematik, da der die Kinder versorgende Elternteil oft mit Broterwerb und Erziehung der Kinder überfordert ist. Nicht selten verlieren Alleinerziehende in dieser Doppelfunktion ihre Arbeit und sind auf Sozialhilfe angewiesen, mit erheblichen Nachteilen auch ihre Kinder, besonders für Töchter (Fthenakis, 2001).

4.1.4 Fehlende Vorbereitung und Überforderung der Eltern

Dass Paare oft von der Situation nach der Geburt ihres Kindes überfordert sind, zeigt die Studie von Fthenakis und Mitarbeitern (2002), die in den ersten 18 Monaten nach der Geburt eine erhebliche Verschlechterung der Kommunikation, einen Rückgang der Zärtlichkeit und eine Zunahme der Unzufriedenheit mit dem Partner nachweist. Paare wissen nicht, was sie nach der Geburt des ersten Kindes erwartet. Oft können sie die Signale des Babys nicht richtig deuten. Sie kommen nicht mit der knapperen Zeit zurecht, können nicht streiten, ohne dass ein Partner verliert (auch an Selbstachtung und Respekt) und wissen nicht, wie sie ihre Motivation aufrechterhalten, also ihre „Liebe jung halten“ können.

Trotz einer Besserung in den letzten Jahren bringen sich Väter aus unterschiedlichen Gründen immer noch zu wenig ein (Fthenakis und Minsel, 2002). All diese Defizite sind Ursachen für Streit, Enttäuschung und Überforderung, die Stress mit der Vielzahl von Folgeproblemen erzeugen.

4.1.5 Vereinsamung

Wenig betrachtet wird die Einsamkeit der Mütter nach der Geburt. Viele Mütter, besonders ältere Gebärende, die oft aus einer beruflich anspruchsvollen Tätigkeit kommen, fühlen sich mit ihrem kleinen Kind, das den größten Teil des Tages schläft, ansonsten Nahrung entgegennimmt und noch wenig kommunikative Möglichkeiten hat, zu Hause allein und gleichzeitig unter- und überfordert. Sie haben das Bedürfnis nach Austausch nicht nur mit anderen Müttern, auch aus dem Gefühl einer Stress verursachenden großen Unsicherheit heraus (Cronin und McCarthy, 2003; Vicary und Corneal, 2001).

4.2 Kulturunterschiede

Zu den beschriebenen Defiziten kommen bei vielen Mitbürgern, die aus anderen Kulturen stammen, Verhaltensunterschiede, die die Nutzung der schon vorhandenen Angebote erheblich einschränken. Eine Einstellung, die eher die traditionsverhaftete Großfamilie als das Individuum in den Mittelpunkt stellt, erschwert die Vermittlung von Wissen und überlässt den Eltern und Großeltern der jungen Eltern einen zu großen, in der neuen Umgebung oft ungünstigen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder.

Besonders nachteilig für die Bemühungen um eine positive Entwicklung der Kinder sind das unserem Kulturkreis nicht entsprechende Frauenbild und die Interpretation von Religion, die mit den Anforderungen des Lebens im europäischen Kulturkreis schwer in Einklang zu bringen sind. Auch dadurch wird die Entwicklung vieler Begabungen zum Nachteil des Individuums und somit der Gesellschaft verhindert.

5 Lösungsansätze

Was kann getan werden, dass Kinder in einer kindgerechten Umgebung aufwachsen, in der optimale Voraussetzungen bestehen, um ihren „Speicher“ für das zur Bildung führende Wissen vorzubereiten, damit sie sich hin zu einem kompetenten Bürger entwickeln?

Alle Maßnahmen müssen zugleich die Umsetzung einer größtmöglichen Chancengleichheit zum Ziel haben. Nur so kann jedes einzelne Individuum seine Fähigkeiten entwickeln und auch der Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Zudem erleichtert die damit mögliche Teilhabe am Erwerbsleben mit entsprechenden Zukunftsperspektiven die Integration neuer Bürger aus anderen Kulturkreisen und verhindert soziale Unruhen. Zufriedenheit und Bildung der Bürger, die die Teilhabe an politischen Entscheidungen impliziert, macht sie zudem unempfindlich gegen einen das Gesellschaftssystem destabilisierenden Populismus wie auch Extremismus.

Damit ist es unabdingbar, dass Kosten, die zum Erhalt und zur Stabilisierung der Gesellschaft notwendig sind, von der Allgemeinheit getragen werden.

 5.1 Vorbereitung potentieller Eltern

Da die Voraussetzungen für eine allseitige Bildung der Kinder schon vor ihrer Geburt geschaffen werden, gilt es, die Wegbereiter für diese Bildung, also die Eltern vorzubereiten und ihnen in einer zumindest respektvollen Partnerschaft die Möglichkeit zu geben, ihren Kindern zu jedem Zeitpunkt ausreichend gute Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Dieses kann an mehreren Stellen geschehen.

5.1.1 Schulbegleitendes partnerschaftszentriertes Lernen

Die Spezies Mensch ist in der Evolution nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil sie aus der Gruppe heraus handelt. In einer zunehmend individualistischen Gesellschaft ist die Rückbesinnung auf die Fähigkeit, mit seinen Mitmenschen wertschätzend zu kooperieren, gefordert. Solche Fähigkeiten werden von den Eltern und Mitmenschen oft nicht vorgelebt und in unserem Ausbildungssystem nur unzureichend vermittelt. Partnerschaft lernen kann schulbegleitend erfolgen. In vielen Fächern müssen die Inhalte, um sie verständlich zu machen, in Lebenssituationen gestellt werden, bspw. durch Texte aus der Literatur. Es ist möglich, diese Lebenssituationen mit dem Wissen um partnerschaftliche Interaktionen und dem partnerschaftlichen Lösen von Problemen zu verbinden, um die geforderte partnerschaftliche Qualität auch erfahrbar zu machen. Es wäre eine Aufgabe für die pädagogische Forschung, Lehrinhalte für die einzelnen Fächer entsprechend zu definieren. Zu lernen, sein Tun auch an den Bedürfnissen der Gruppe zu reflektieren, würde es auch Vätern erleichtern, sich mehr in die Erziehung und den Familienalltag einzubringen und den Kindern die für ihre Entwicklung wichtige maskuline Komponente zur Verfügung zu stellen.

5.1.2 „Selbst- und Beziehungskompetenz“ in allen Ausbildungscurricula

Lebensumbrüche wie bspw. der Übergang von der Schule zum Studium und der Übergang zur Elternschaft sind Zeiten, in denen Menschen eine hohe Aufnahmebereitschaft für Wissen haben, das ihre zukünftige Lebenssituation verbessert.

In alle Ausbildungsgänge von der Berufsschule bis zur Universität sollte das Erlernen von „Selbst- und Beziehungskompetenz“ integriert werden. Zu Lernen, wie man miteinander kommuniziert, im Team arbeitet, Partnerschaft pflegt, wie man mit seiner Zeit, mit Stress und Konflikten umgeht, ist ebenso wichtig, wie das Erlernen der Grundrechenarten. Fähigkeiten in diesem Bereich würden es nicht nur erleichtern, individuelle Führungskompetenzen zu entwickeln, sondern auch wesentlich dazu beitragen, Wissen aufzunehmen und Bildung zu erwerben. Um dieses Programm umzusetzen, ist breiter politischer Wille erforderlich. Die Deutsche Familienstiftung hat ein entsprechendes Ausbildungs-Modul entwickelt und erfahren, dass es, trotz der Einsicht von Fakultäten in die Bedeutung dieses Aspekts, sehr schwierig ist, in einer Hochschule ein entsprechendes Modul einzuführen (Deutsche Familienstiftung, 2015)

5.1.3 Integration einer Vorbereitung auf die Familie in die Geburtsvorbereitung

An dem Lebensübergang vom Paar zur Elternschaft möchten werdende Eltern besonders gerne wissen, wie sie am besten die neue Herausforderung, als Familie zu leben, meistern können. Dies ist für viele, besonders für die bildungsferneren Mitbürger, oft die letzte Möglichkeit von systematischem Lernen.

Die Geburtsvorbereitung ist eine, bisher nicht zertifizierte, über die Krankenkassen finanzierte 14 stündige Ausbildung, in der werdende Mütter und Väter Wichtiges zum  Verhalten unter der Geburt und in den ersten Wochen mit dem Neugeborenen lernen. In dieses schon etablierte wichtige System hat die Deutsche Familienstiftung, die sich für alle Formen von Familie einsetzt, die Vorbereitung auf die Familie integriert. Es werden zusätzliche Inhalte, wie realistische Erwartungen, Zeit- , Stress- und Konfliktmanagement, Partnerschaftspflege und das Erkennen der Signale des Neugeborenen vermittelt.

Hebammen werden zusammen mit dem Deutschen Hebammenverband in dieser „Geburts-und Familienvorbereitung“ weitergebildet (Spätling und Vaskovics, 2009). Die Zeit der Geburtsvorbereitung wird zudem genutzt, junge Paare aufzufordern, sich mit anderen zusammenzutun, sogenannte „Freundfamilien“ zu bilden, um sich so gegenseitig zu helfen und so ein Defizit von Unterstützung aus den eigenen Familien auszugleichen. Ein Kurshandbuch zur Geburts- und Familienvorbereitung, in dem eine Vielzahl von Spezialisten ihr Wissen zu diesen Themen beitragen, ist im Druck (Deutsche Familienstiftung, 2018).

Auf der von der Deutschen Familienstiftung eingerichteten werbefreie Wissensplattform www.wikifamilia.de steht allen das dazu notwendige Expertenwissen, aber auch viele einfach formulierte, gesicherte Informationen zur Schwangerschaft, Geburt, Partnerschaft, Pflege des Säuglings und Kindesentwicklung auch über Smartphone zur Verfügung (Deutsche Familienstiftung, 2015). So kann erreicht werden, dass junge Eltern mit dem immer verfügbaren Wissen weniger Stress ausgesetzt sind, eine konfliktfreiere Partnerschaft leben und damit die Situation optimieren, in der ihr Kind das aufnimmt, was der frühen Entwicklung seines Gehirns, seines gesamten Nervensystems förderlich ist.

5.2 Verbesserung der Lebenssituation von Schwangeren

Da Stress in jedweder Form einen negativen Effekt auf die Entwicklung des Ungeborenen hat, müssen Schritte unternommen werden, diesen Stress zu verringern. Nicht immer ist eine Schwangerschaft willkommen. Paare haben nicht selten den Eindruck, dass Kinder immer zum falschen Zeitpunkt kommen. Zum einen möchte die werdende Mutter nach ihrer langen Ausbildung zunächst Berufserfahrung sammeln, zum anderen möchte man das häusliche Umfeld erst für ein Kind vorbereiten. Oft fühlen Frauen, dass eine Schwangerschaft mit anschließendem Mutterschutz und Elternzeit in den Betrieben nicht willkommen ist, da ihr Fehlen die Betriebsabläufe verschlechtert und die Kompensation der fehlenden Arbeit die anderen Mitarbeiter belastet. Oft wird der Kinderwunsch deshalb in eine Zeit immer schlechterer Fertilität mit all den Folgeproblemen verschoben (Deutsche Familienstiftung, 2014). Hier ist es sinnvoll, es den Betrieben mit einer Art „Willkommenskultur“ zu erleichtern, Strukturen zu etablieren, die den Frauen nicht nur die finanziellen Ausfälle ausgleichen, sondern auch ermöglichen, häufigere durch Schwangerschaftskomplikationen und Erkrankungen des Kindes bedingte Ausfälle ohne permanent schlechtes Gewissen und Stress zu ertragen.

5.3 Reduzierung von peripartalen Unsicherheiten

Hebammen haben einen besonderen Zugang zu Schwangeren und jungen Müttern. Sie unterstützen sie in der Zeit ihrer höchsten Verletzlichkeit. Diesen Zugang gilt es zur Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten zu nutzen. Eine Vorbedingung dazu ist eine ausreichende Anzahl von Hebammen und eine adäquate Ausbildung und Finanzierung. Einmal muss dafür gesorgt werden, dass durch Steigerung der Attraktivität des Hebammenberufes der zahlenmäßige Mangel ausgeglichen wird. Auch sollte die Akademisierung vorangetrieben werden und damit Standards für alle Leistungen festgelegt werden. Da ein sehr hoher Bedarf an dem außerklinischen Wirken der Hebamme besteht, sollte die Ausbildung um einen entsprechenden Schwerpunkt ergänzt werden. Da die Unsicherheit der potentiellen Mutter schon vor der Schwangerschaft besteht, sollten Hebammen ihre Tätigkeit entsprechend erweitern.

Es sollten sichere und gut verständliche Informationen zu allen Fragen um Schwangerschaft, Geburt, Kleinkindperiode und junge Familie allen zu jeder Zeit zugänglich sein, wie die Deutsche Familienstiftung es mit ihrer Informationsplattform wikifamilia.de begonnen hat. Durch diese Maßnahmen und ihre kontinuierliche Optimierung kann zusätzlich eine größere Sicherheit der jungen Mütter erreicht und damit auch kontraproduktiver Stress, der die Partnerschaft der Eltern und die jungen Familien belastet, vermieden werden. Eine bessere Bindung und damit bessere Entwicklung der Kinder wird gefördert.

Unsicherheiten der Mutter, wie Zukunfts- und Versagensängste, vor und nach der Geburt verstärken eine bei vielen Frauen vorhandene Tendenz zur Depression. Dies wird oft verkürzt mit „Wochenbettdepression“ beschrieben. Sie belastet nicht nur die Mütter selbst und ihre Familien, sondern beeinträchtigt auch die Entwicklung des Kindes und hat damit einen negativen Einfluss auf seine kognitiven Fähigkeiten (Zietlow, 2016). Diese nicht seltene Störung früh zu erkennen und damit schwere Verläufe zu verhindern, sollte Ziel von Hebammen und Ärzten sein, aber auch der Familien der betroffenen Schwangeren. Das Konzept der „Wochenbettkrisenhilfe“, beschreibt einen erfolgsversprechenden Ansatz (Deutsche Familienstiftung, 2014).

Die wichtigsten und empfindlichsten Phasen im Leben einer Frau sind Schwangerschaft, Geburt und die frühkindliche Versorgung. Hier werden die Weichen sowohl für das individuelle Wohlergehen, als auch für die Voraussetzungen einer guten Bildung gestellt. Für den Schutz dieser Phase hat die Gemeinschaft der Bürger eine besondere Fürsorgepflicht.

5.4 Spielpädagogische Begleitung vor der Kindertagesstätte (Kita)

Erhebliche Unsicherheiten haben junge Eltern auch nach der Geburt, die besonders die Mutter unter Stress setzen. Dieser kann deutlich reduziert werden, wenn sie im Umgang mit ihrem Kind angeleitet werden. Die Einrichtung einer spielpädagogischen Begleitung (Pädagogische Eltern-Kind-Spielgruppe) ist hier hilfreich. Beginnt das Kind mit längeren Wachphasen, treffen sich Mutter mit ihren Kindern ab vier Monaten in kleinen Gruppen, in denen altersentsprechend gefördert, gespielt und viel gesungen wird. So kann auch das Hineinwachsen in die -oft neue- Sprache (u.a. durch Vorlesen) gefördert werden, das in vielen Familien zu kurz kommt. In einer Zeit, in der junge Eltern durch ein Zuviel an Informationen Gefahr laufen, den Überblick zu verlieren, wird ihnen der Druck genommen, etwas falsch zu machen. Der richtige Umgang mit dem Baby hilft ihnen, ihr Kind weder zu über- noch zu unterfordern und das bei vielen Frauen nicht mehr vorhandene sogenannte „Bauchgefühl“ zu reaktivieren.

Diese pädagogisch geleiteten Spielgruppen mit Elementen, die Wahrnehmung und Motorik fördern, werden erweitert durch bedürfnisorientierte Gespräche und Informationseinheiten, die die jungen Eltern bindungsorientiert in ihrer Partnerschaft und Alltagsorganisation stärken. Sie unterstützen zudem das Konzept der „Freundfamilien“ und wirken gegen die Gefahr der u.U. aufkommenden Einsamkeit.

5.5 Qualifizierte Förderbetreuung in der Kita

Die modernen Verfahren der Familienplanung haben es den Frauen ermöglicht, ihren Lebensplan ihren Fähigkeiten entsprechend zu verwirklichen, wovon auch die Gesellschaft zunehmend profitiert. Oft ist die Berufstätigkeit der Mutter auch notwendig, da die Kosten der Familie nur mit zwei Gehältern bestritten werden können. So ist das Abgeben ihres Kindes in die Obhut einer Kita für viele Familien unverzichtbar.

Auch ist zu bedenken, dass es vielen Eltern nicht möglich ist, dem Kind zu Hause die Vielfalt der fördernden Anregungen zur Verfügung zu stellen, die für die optimale Entwicklung des kindlichen Gehirns notwendig ist. Zudem lernen Kinder soziale Interaktionen leichter von anderen Kindern als von Erwachsenen. Dieses macht in der Phase der größten Entwicklung von Gehirn und Nervensystem den Besuch einer Kita sinnvoll. Zu früher und täglich zu lang dauernder Kita-Aufenthalt jedoch setzt kleine Kinder unter Stress, was sich wiederum in einer zu hohen Cortisol-Ausschüttung zeigt (Belsky et al., 2007). Auch werden Verhaltensauffälligkeiten, besonders Hyperaktivität diagnostiziert (Stein et al., 2013). Deutlich weniger Stress haben Kinder, wenn sie nachmittags zu Haus sein können (Vermeer and Ijzendoorn, 2006).

Wenn also der Besuch der Kita für sehr viele Familien notwendig und für die Entwicklung des Kindes sinnvoll ist, müssen bei der Ausgestaltung des Kita-Besuchs unter anderen diese wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt werden, -also nicht zu früh und nicht zu lang. Beschäftigungszeiten der Eltern müssen entsprechend angeglichen werden. Eine Förderbetreuung in der Kita bietet einen großen Beitrag zur Umsetzung von Chancengleichheit und hilft bei der Integration der Mitbürger mit ausländischen Wurzeln. Sie ist deshalb ohne Unterschied allen Kindern zur Verfügung zu stellen und der Schule entsprechend durch die Gemeinschaft zu finanzieren. Will man einen möglichst hohen Kita- Besuch erreichen, werden Anreizsysteme wie Prämien oder Kindergeldstaffelungen notwendig.

Wenn der Einfluss auf das Leben eines Kindes in der Zeit der Kita größer sein kann als der in den weiterführenden Schulen, ist der Qualifizierung der in der Kita Arbeitenden größtmögliches Augenmerk zu schenken. Hochschul- resp. Universitätsausbildung zumindest derer, die eine Kita verantwortlich leiten, mit entsprechender Bezahlung ist anzustreben und würde diesen Beruf auch für Männer attraktiver werden lassen, deren Gender-Beitrag zur Kindesentwicklung seit Jahrzehnten zu kurz kommt (Rohrmann, 2009). Eine zu gründende bundesweit wirkende Dachorganisation könnte Kitas helfen, wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen, Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen und eine politische Vertretung zu etablieren.

Durch die altersgemäße, fördernde Betreuung in diesem kurzen, aber so wichtigen Lebensabschnitt wird eine entscheidende Voraussetzung für spätere Bildung geschaffen, die auch denen zugute kommt, die von zu Hause keine optimale Förderung erhalten oder sich nicht leisten können, was einen Beitrag zur Umsetzung der Chancengleichheit darstellt.

5.6 Integration und Chancengleichheit

Wenn Integration und Chancengleichheit entscheidende Ziele politischen Wollens sind und zugleich auch eine wichtige Vorbedingungen für die Weiterentwicklung der Gesellschaft, dann ist die Fokussierung auf den frühesten Bereich der Entwicklung der Kinder und der Entwicklung der in Ihnen schlummernden Fähigkeiten zu ihrem eigenen Wohl und zum Wohle der Gesellschaft unabdingbar. Bei allem Unterschied zwischen den Kulturen besteht doch bei allen Menschen in der Schwangerschaft und frühen Elternschaft ein großes Bedürfnis nach lebenserleichternden Informationen.

Diese entstehende Offenheit ist ein idealer Zeitpunkt zur Kontaktaufnahme. In einem gemeinsamen Projekt der Deutschen Familienstiftung mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, den Anteil der Inanspruchnahme der Angebote der „Familienschule“, die im Wesentlichen aus dem oben Dargestellten bestehen, durch Mitbürger mit ausländischen Wurzeln zu steigern (Deutsche Familienstiftung, 2017). Auch hier können Hebammen mit entsprechenden Qualifikationen hilfreich wirken.

6 Ausblick

Von den vorgeschlagenen Maßnahmen ist kein kurzfristiger Erfolg zu erwarten. Auch sind die vorgeschlagenen Maßnahmen vielen Bürgern nicht leicht vermittelbar, da ihr Lebensschwerpunkt meist weit entfernt von den Sorgen junger Eltern ist. Über einen längeren Zeitraum werden diese Maßnahmen aber in vielen Bereichen der Gesellschaft Früchte tragen und mehr als kostendeckend sein. So konnte Heckman (2007) zeigen, dass früheste Investitionen in die Kinder, in das „Humankapital“ der Gesellschaft in einem exponentiellen Rückfluss dieser Investitionen nicht zuletzt durch verringerte Kosten in den Feldern Gewalt, Delinquenz und anderen sowie weiteren sozialen Aufwendungen resultieren. Zudem machen sie nur einen Bruchteil der Investitionen aus, die zur Stabilisierung zurückliegender wirtschaftlicher Krisen aufgewendet werden mussten, Krisen, die durch eine bessere Bildung der Verursacher seltener werden. Zudem wurden die Ausgaben genutzt, die die Gemeinschaft in die Erlangung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu diesem Forschungsbereich investiert hat.

Ob wir glücklich oder unglücklich sind, bestimmt primär nicht das Materielle, sondern -nach Erfüllung der Grundbedürfnisse- wie wir uns mit anderen Mitmenschen, in der Partnerschaft, als Familie, als Gruppe fühlen. Deshalb ist es richtig, ein maximales Augenmerk darauf zu lenken, die Fähigkeit des Einzelnen, ein besseres Miteinander zu leben, zu stärken. Nur wenn es uns gelingt, uns  Menschen im Innersten zu festigen, uns die Chance auf Geborgenheit und Bindung zu geben, dann macht uns die Zukunft mit ihren maximalen Umbrüchen keine Angst, dann gestalten wir die Zukunft und nicht sie uns.

7 Zukunftsvision von Bildung

  • Bildung steht allen zur Verfügung, wodurch alle annähernd gleich gute Bildungschancen haben.
  • Bildung ermöglicht den Bürgern ein selbstbestimmtes, würdiges Leben.
  • Mangelhafte Bildung der Eltern bedingt nicht mehr die mangelhafte Bildung der Kinder.
  • Bildung verringert die Kluft zwischen arm und reich.
  • Kluge Bürger wählen kluge Regierungen, stabilisieren die Demokratie und erhalten den Frieden.
  • Bildung und soziale Kompetenz verringert Fehlentwicklungen in wirtschaftlichen Systemen und bewahrt die Gesellschaft davor, zu viel Ressourcen für Stabilisierung der Systeme statt für Maßnahmen, die allen Bürgern zu Gute kommen, zu verwenden.
  • Bildung erleichtert bürgerfreundliches Management von Krisen.
  • Bildung erleichtert die Integration der Mitbürger mit ausländischen Wurzeln.
  • Bildung reduziert die Gefahr, in Extremismus abzugleiten.
  • Bildung ermöglicht, die neuen Technologien zum Wohle des Menschen zu nutzen.
  • Bildung stabilisiert die Reproduktion der
  • Bildung verringert den Hunger in der Welt und damit auch den Migrationswunsch.
  • Bildung nimmt die Angst vor der Zukunft.
  • Bildung macht die Welt ein wenig glücklicher.

8 Fazit

  • Umfassende Bildung ist der Weg, eine Vielzahl von Problemen der Gesellschaft zu lösen.
  • Bildung ist nur möglich, wenn Menschen fähig sind, das dazu notwendige Wissen zu speichern und zu verknüpfen.
  • Die biologischen Voraussetzungen dazu sind zu optimieren.
  • Die Entwicklung des Nervensystems beginnt im Mutterleib und hat ihr Maximum in den ersten Lebensjahren.
  • Wird das Nervensystem in dieser Zeit nicht mit adäquaten Informationen versorgt, verliert es seine mögliche Leistungsfähigkeit.
  • Auch mütterlicher Stress und Stress in der Familie beeinflussen die Entwicklung des Nervensystems des Kindes negativ.
  • Um schädigende Einflüsse zu verringern und die Entwicklung des Kindes zu verbessern, sind folgende durch die Gemeinschaft finanzierte Maßnahmen für alle Bürger zu initiieren:
  • Vorbereitung potentieller Eltern durch schulbegleitendes „partnerschaftszentriertes Lernen“ und Erweiterung der Studiencurricula durch Erlernen von „Selbst- und Beziehungskompetenz“
  • Vorbereitung von werdenden Eltern auf die spätere Herausforderung durch
  • Integration einer Familienvorbereitung in die Geburtsvorbereitung
  • Verbesserung der Lebenssituation von Schwangeren
  • Spielpädagogische Begleitung von Mutter (Eltern) und Kind in den Monaten nach der Geburt
  • Qualifizierung der „Förderbetreuung“ in der Kita
  • Dieses Vorgehen optimiert nicht nur die biologischen Voraussetzung für Bildung, sondern ist eine Basis für Chancengleichheit und erleichtert die Integration.
  • Wenn die Bürger Angst vor den Herausforderungen durch technischen Fortschritt und Globalisierung haben, werden die beschriebenen Maßnahmen zur Festigung ihrer Persönlichkeit beitragen, die sie die zukünftigen Umbrüche meistern lässt.

Ich danke Prof. Dr. Ekkehard Stähler für die Unterstützung  bei der Bewertung der Daten zur Epigenetik.

9          Literatur

Ahnert L., Gunnar MR., Lamb ME, Barthel M. Transition to Child Care: Associations With Infant–Mother Attachment, Infant Negative Emotion, and Cortisol Elevations. Child Develop 2004; 75: 639–650

Belsky J  Vandell DL, Burchinal M, Clarke-Stewart KA, McCartney K, Owen MT. Are There Long-Term Effects of Early Child Care? Child Develop 2007;78: 681–701

Carpenter GL, Stacks AM. Developmental effects of exposure to Intimate Partner Violence in early childhood: A review of the literature. Children and Youth Services Review 2009;31: 831–839

Cierpka M, Cierpka A. Gewalt in der Familie In: Frühe Kindheit 0-3 Jahre. M. Cierpka (Hrsg.) Springer Verlag Berlin, Heidelberg, (2012) S 311-324

Cronin C, McCarthy G. First-time mothers – identifying their needs, perceptions and experiences. J Clin Nurs2003;12:260-7.

Deutsche Familienstiftung (Hrsg). Wenn Kinder – wann Kinder? Parzellers Buchverlag , Fulda, 2014 (Zusammenfassung: http://www.deutsche-familienstiftung.de/Dokumente/Pressemitteilung_Wenn%20wann%20Kinder%20131121.docx.pdf ) (abgerufen 12.3.2017)

Deutsche Familienstiftung. Selbst- und Beziehungsmanagement (2015) http://www.deutsche-familienstiftung.de/Dokumente/KonzeptSelbst_Beziehungsmanagementallg170314.pdfm(abgerufen 14.3.2017)

Deutsche Familienstiftung. Wikifamilia.de – sicheres Wissen für die Familie. 2015 http://www.wikifamilia.de(abgerufen 12.3.2017)

Deutsche Familienstiftung,  Wochenbett-Krisenhilfe, http://www.deutsche-familienstiftung.de/Dokumente/DGGGMuenchenkorr140925.pdf (abgerufen 23.2.2017)

Deutsche Familienstiftung. WIR Projekt – Familie mit allen (2016) http://www.deutsche-familienstiftung.de/Dokumente/ProjektbeschreibungWIR170314.pdf (abgerufen 21.2.2017)

Deutsche Familienstiftung, Geburts- und Familienvorbereitung – Ein Kurshandbuch, Mabuse Verlag, Frankfurt, 2019 (im Druck)

Fergusson DM, Lynskey MT, Horwood LJ. Childhood sexual abuse and psychiatric disorder in young adulthood: I. Prevalence of sexual abuse and factors associated with sexual abuse. J Am Acad Child Adoles Psychiatry, 1996;35:1355–1364.

Fergusson DM, Boden JM, Horwood LJ. Exposure  to childhood sexual and physical abuse and adjustment in early adulthood. Child Abuse Neglect. 2008;32:607–619.

Fox NA1, Almas AN, Degnan KA, Nelson CA, Zeanah CH. (2011)  The effects of severe psychosocial deprivation and foster care intervention on cognitive development at 8 years of age: findings from the Bucharest Early Intervention Project. J Child Psychol Psychiatry. 52:919-28. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4088941/  (abgerufen 3.5.2016)

Franz, M (2004). Langzeitfolgen von Trennung und Scheidung. In: Egle U, Hoffmann S, Joraschky P (Hrsg), Schattauer, Stuttgart, S 116-128

Fthenakis WE. Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf das Individuum und im gesellschaftlichen Kontext . CMS Workshop Salzburg 2001 http://www.fthenakis.de/cms/Workshop_Salzburg_2001-11-02.pdf (abgerufen am 30.1.2017)

Fthenakis W, Kalicki B, Peitz G. (2002). Paare werden Eltern. Die Ergebnisse der LBS-Familien-Studie. Verlag Leske und Budrich, Opladen

Fthenakis W, Minsel B. Die Rolle des Vaters in der Familie . Schriftenreihe des BMFJFJ Band 213. Kohlhammer Verlag (2002)146 ff https://www.bmfsfj.de/blob/94966/eafebe974a83e345e5025dbf29f6c405/prm-24420-sr-band-213-data.pdf (abgerufen am 301.2017)

Hansagi H, Brandt L, Andreasson S.. Parental divorce: psychosocial well-being, mental health and mortality during youth and young adulthood. A Longitudinal study of swedish conscript. Eur J Pub Health. 2000;10:86-92

Heckman J, Masterov D. The Productivity Argument for Investing in Young Children. Rev Agricult Econom 2007:29: 446–493

Hompes T., Izzi B, Gellens E, Morreels M, Fieuws S, Pexsters A, Schops G, Dom M, Van Bree R, Freson K, Verhaeghe J, Spitz B, Demyttenaere K, Glover V, Van den Bergh B, Allegaert K, Claes S. Investigating the influence of maternal cortisol and emotional state during  pregnancy on the DNA methylation status of the glucocorticoid receptor gene (NR3C1) promoter region in cord blood. J Psychiatr Res. 2013;47:880-91.

Jensen Pena C,  Monk C, Campagne FA. Epigenetic Effects of Prenatal Stress on 11β-Hydroxysteroid Dehydrogenase-2 in the Placenta and Fetal Brain. PLoS One 2012;7:e39791

Kim J, Cicchetti D. A longitudinal study of child maltreatment, mother-child relationship quality and maladjustment: the role of self-esteem and social competence. J Abnormal Child Psychology. 2004;32:341–354

Kolb B, Gibb R. Brain Plasticity and Behaviour in the Developing Brain. J Can Acad Child Adolesc Psychiatry 2011 Nov; 20: 265–276.

Lovasi GS, Quinn JW, Rauh VA, Perera FP, Andrews HF, Garfinkel R, Hoepner L, Whyatt R, Rundle A. Chlorpyrifos exposure and urban residential environment characteristics as determinants of early childhood neurodevelopment. Am J Public Health. 2011;101:63-70. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3000714/pdf/63.pdf  (abgerufen.9.3.2017)

Mansell I, Novakovic B Meyer B,, Rzehak P, Vuillermin P, Ponsonby AL, Collier F, Burgner D, Saffery R, Ryan J. The effects of maternal anxiety during pregnancy on IGF2/H19 methylation in cord blood. Transl Psychiatry 2016;6:e765 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4872456/ (abgerufen 9.3.2017)

McCrory, De Brito SA, Viding E. Research review: the neurobiology and genetics of maltreatment and adversity. J Child Psychol Psychiatry. 2010;51:1079-95.

Mulligan C, D’Errico N,  Stees J,  Hughes D..Methylation changes at NR3C1 in newborns associate with maternal prenatal stress exposure and newborn birth weight. Epigenetics 2012, 7: 853–857.  https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3427280/ (abgerufen 9.3.2017)

Noble KG, Houston SM, Brito NH et al. Family Income, Parental Education and Brain Structure in Children and Adolescents. Nat Neurosci 2015;18: 773–778 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25821911 (abgerufen 1.3.2017)

Plagemann A.  Fetale Programmierung und Funktionelle Teratologie. In: Ganten, Ruckpaul, Wauer (eds.): Molekularmedizinische Grundlagen von fetalen und neonatalen Erkrankungen, Springer Verlag S 325-344 (2005)

Prasad MR., Kramer LA, Ewing-Cobb L: Cognitive and neuroimaging findings in physically abused preschoolers. Arch Dis Child 2005;90:82-85

Provencal N., Binder E: The effects of early life stress on the epigenome: From the womb to adulthood and even before. Exp Neurol. 2015;268:10-20.

Radtke KM, Ruf M, Gunter HM, Dohrmann K, Schauer M, Meyer A, Elbert T. Transgenerational impact of intimate partner violence on methylation in the promoter of the glucocorticoid receptor, Transl Psychiatry. 2011; 1: e21. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3309516/ (abgerufen 15.1.2017)

Rohrmann T. Gender in Kindertageseinrichtungen. Wissenschaftliche Texte, Deutsches Jugend Institut 2009. http://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs/Tim_Rohrmann_Gender_in_Kindertageseinrichtungen.pdf(abgerufen 21.2.2017)

Spätling L, Vaskovics L, Geburts- und Familienvorbereitung – das Fuldaer Modell. 2009 Deutsche Hebammenzeitschrift 2009; 10: 16-8  https://spaetling.net/wp-content/uploads/2016/07/GFV-D-Heb-Z-2009-10-16-8.pdf  (abgerufen 1.3.2017)

Stähler E, Kübler U. Epigenom und Verantwortung. Tredition Verlag, Hamburg (2017) ISBN: 978-3-7345-9133-4)

Steffen Kailitz S. Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Verlag für Sozialwissenschaften (2004) S. 207

Stein A, Malmberg LE, Leach P, Barnes J, Sylva K; The influence of different forms of early childcare on children’s emotional and behavioural development at school entry. Child Care Health Dev. 2013;39:676-87.

Szyf M. DNA methylation, behavior and early life adversity. J Genet Genomics. 2013; 40:331-8.

Tau GZ, Peterson BS. Normal development of brain circuits. Neuropsychopharmacology. 2010;35:147-68

van den Bergh BR, Moulder EJ, Mennes M, Glover V. 2005) Antenatal maternal anxiety and stress and the neurobihavioral development of fetus and child: links an possible mechanisms. A review. Neurosci Biobehav Rev (2005) 29:237-258)

Vermeer  HJ, Ijzendoorn  MH. Children’s elevated cortisol levels at daycare: A review and meta-analysis.Early Childhood Research Quarterly 2006;21:390-401

Vicary JR1, Corneal DA. A comparison of young women’s psychosocial status based on age of their first childbirth. Fam Community Health. 2001;24:73-84.

Werner EE. The children of Kauai: resiliency and recovery in adolescence and adulthood. J Adolesc Health 1992;13:262-8

Zietlow AL. (2016) Die Bedeutung postpartaler Depression und Angststörungen für die frühe Mutter-Kind-Interaktion und die kindliche Entwicklung

Mutter-Kind-Studie: C Reck, M Müller, D Noe, N Nonnenmacher, A Tietz, S Dubber, B Zipser. https://kize.eu/wp-content/uploads/2016/04/Zietlow.pdf  (abgerufen 23.2.2017)